Cristina Riesen | General Manager @Evernote: “Erinnere dich daran, dass das Leben eine Reise ist.”

Maxi Knust

Cristina Riesen ist General Manager für den EMEA-Markt (Europe, Middle East, & Africa) und hat den Evernote-Standort in Zürich aufgebaut. Im Fempreneur Interview berichtet sie was dabei die Herausforderungen waren, warum bei Evernote diszipliniert mit Meetings umgegangen wird und was es bedeutet, dass Evernote sich als 100-Jähriges Startup sieht. Zudem sprach ich mit Cristina über das Thema Selbestbewusstsein, woher es kommt und welche Tipps sie hat.

Über Evernote

Evernote erstellt Apps und Produkte, welche die Art und Weise, wie Einzelpersonen und Teams heute arbeiten, definieren. Evernote ist ein einziger Arbeitsplatz, der auf dem Smartphone, Tablet und Computer ist und an dem man ohne Ablenkung schreiben, Informationen sammeln, nötige Dinge finden und anderen seine Ideen präsentieren kann. Evernote ist ein unabhängiges, privates Unternehmen mit Hauptsitz in Redwood City, Kalifornien und umfasst ein weltweites Team von mehr als 400 Mitarbeitern. Seit der Gründung im Jahr 2007 erreichten Evernote Produkte mehr als 100 Millionen Nutzer weltweit.

Cristina, als General Manager für den EMEA-Markt bei Evernote hast du den Standort in Zürich mit aufgebaut. Was waren dort deine Herausforderungen?

Das war eine sehr interessante Zeit und Erfahrung, da man letztlich ein Startup in einem Startup aufbaut. Zunächst beginnst du bei dir selbst und fängst dann an zu rekrutieren und die Teammitglieder hinzuzufügen. Das Wichtigste ist die richtigen Leute zu rekrutieren. Das klingt zwar einfach und banal, aber es ist wirklich wichtig, dass die Personen die man anstellt, die Vision des Unternehmens verstehen und auch selbst leben.

Zudem war es für uns wichtig die passende Infrastruktur zu implementieren. Wir wollten keine schweren Strukturen und Mikromanagement (Anm.: Führung durch Anweisung und Kontrolle, ohne die Mitarbeiter an Entscheidungen zu beteiligen), sondern wir wollten vielmehr eine Struktur etablieren, die es uns erlaubt schnell und beweglich zu reagieren, um so produktiv wie möglich miteinander arbeiten zu können. Und je schneller man wächst – und wir sind sehr schnell gewachsen – desto eher muss man einen Blick darauf haben, welche Prozesse man nutzt und welche Auswirkungen das auf Andere hat. Für uns ist es sehr wichtig die Mitarbeiter zu stärken. Daher haben wir eine flexible Arbeitsumgebung, wo Mitarbeiter herausfinden können, was am Besten funktioniert. Also zum Beispiel: Muss ich im Büro für diese Arbeit sein? Brauche ich dieses oder jenes Meeting? Dadurch werden die Mitarbeiter unterstützt und motiviert ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Dann fragt man sich automatisch selbst: Was ist am effizientesten? Wie bin ich am produktivsten?

Und ein Thema, worauf wir ein großes Augenmerk haben sind Meetings. Denn wer kennt es nicht? Man kann schnell in diese Falle tappen, wenn man viele Projekte oder Ideen hat, dass man sich denkt: „Lasst uns ein Meeting dafür vereinbaren.“ Wir versuchen daher bei Evernote sehr diszipliniert damit umzugehen, wie wir nicht nur unsere eigene Zeit sondern auch die der Kollegen nutzen. Denn bei Meetings blockt man auch die Zeit der Kollegen im Kalender und man sollte sich darüber bewusst sein, dass man in dem Moment die Zeit vom Leben dieser Person nimmt. Daher sollte man, wenn man Meetings einberaumt, gut vorbereitet sein, sich fragen was das Ziel ist und was man erreichen will mit dem Meeting. Denn sonst vergeudet man schnell wertvolle Zeit.

Gerade Startups und Gründer stehen häufig vor der Herausforderung ihre Arbeitsprozesse zu organisieren. Wie kann Evernote dabei helfen?

Wenn man ein Unternehmen gründet, hat man besonders als Solopreneur oder im kleinen Team sehr viele Aufgaben zu erledigen. An diesem Punkt setzt Evernote an. Evernote ist der persönliche Assistent. Man kann vieles automatisieren mit Evernote. Zum Beispiel, wenn man einen Blick auf ein bestimmtes Thema haben will, wie bspw. Social Media, dann kann man hierfür Evernote nutzen, wo alles automatisch gespeichert wird.

Die größte Herausforderung für Gründer ist das Thema Administration. Meist ein nerviges Thema, denn kaum jemand macht gerne die Ausgaben- oder Abschlussberichte. Aber auch hier kann Evernote wieder helfen zu automatisieren. Es gibt z.B. den Evernote Scanner (Anm.: Fujitsu ScanSnap Evernote Edition). Damit kann man ganz einfach Belege, Berichte und Business-Karten scannen. Die Idee war, dass man hierfür nur einen Knopf drücken muss. Man kann also unterschiedlichste Dokumente einlegen und der Evernote Scanner scannt beide Seiten automatisch und erkennt genauso automatisch, dass man bspw. 5 Business-Karten, 3 Dokumente und 6 Belege gescannt hat.

Die Idee ist, dass Evernote die Gründer stärken und unterstützen soll und durch die Technologie den Arbeitsaufwand verringert, sodass man sich auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren kann – wie das Wachstum des Businesses oder das richtige Team aufzubauen.

Zwar hat Evernote mittlerweile 400 Mitarbeiter seit der Gründung 2007. Jedoch liest man, dass der Startup Charakter sehr wichtig für Evernote ist. Was bedeutet das Thema 100-jähriges Startup für Evernote?

Es gibt zwei Aspekte bezüglich des 100-jährigen Startups. Zum einen bedeutet das, dass wir versuchen das Startup-Feeling beizubehalten. Wir versuchen die Dinge für die Mitarbeiter so einfach wie möglich zu halten, sodass diese möglichst schnell und einfach ihre Projekte umsetzen können. Das bedeutet eben nicht, dass man zunächst fünf Manager um Erlaubnis fragen muss, um mit seinem Projekt starten zu können. Die Idee ist vielmehr, dass das Projekt, an dem man arbeitet, mit entsprechenden Zielen definiert ist und, dass man dann möglichst einfach damit starten kann ohne viele Zwischeninstanzen.

Der andere Aspekt des 100-jährigen Startups ist, dass es mit keinem Exit verbunden ist. Das bedeutet, dass wir keine Exit Strategie haben. Evernote wurde nicht gegründet mit dem Plan nach einigen Jahren das Unternehmen wieder zu verkaufen. Das ist unsere Langzeit-Vision, dass wir ein Produkt gestalten, dass auch noch in 100 Jahren relevant ist. Natürlich ist uns auch klar, dass sich vor allem die Technologiebranche sehr schnell entwickelt und verändert. Aber wir haben diese Langzeit-Vision und Strategie, die uns erlaubt schnell im Unternehmen zu agieren.

Frauen haben ja häufig spezielle Herausforderungen als Angestellte. Wie fördert und unterstützt Evernote weibliche Angestellte?

Zum Glück haben wir bereits sehr viele Frauen bei Evernote angestellt. So ist auch unser COO (Anm.: Linda Kozlowski) eine Frau. Aber das Geschlecht war für uns eigentlich nie ein Thema. Wir glauben, dass Frauen gleichberechtigt, stark und gut ausgebildet sind sowie gleichermaßen großartige Ideen haben. Wir glauben zudem an Diversität. So hat Evernote auch ein sehr internationales Team. Wir glauben an die Macht der Diversität, also der Unterschiedlichkeit. Denn dies bringt auch unterschiedliche Meinungen und Ansichten mit, die sehr förderlich sind.

Aber ich denke Frauen im allgemeinen, insbesondere in der europäischen Tech-Industrie, ist es sehr wichtig selbstbewusst zu sein und an sich selbst zu glauben. Zudem sollte man sich durch sein Wissen und Know-How beweisen. Ich denke, es gibt überall um uns herum genug wunderbare Frauen mit viel Potenzial. Ich denke es ist nur eine Frage von Selbstbewusstsein, etwas Neues auszuprobieren und seine Stimme zu finden.

Was denkst du woher dieses Selbstbewusstsein kommt? Was ist dein Geheimnis?

Selbstbewusstsein kommt indem man groß denkt und seine Komfortzone verlässt. Es gibt diesen Spruch „Wenn du es träumen kannst, kannst du es auch machen“. Vielleicht ist das etwas übertrieben, aber manchmal ist es auch wahr. Wir blockieren uns meist nur selbst und haben diese sozialen Filter, weil wir auf eine bestimmte Art erzogen und gelehrt wurden. Es hat viel damit zu tun, sich zu fragen: „Warum mache ich nicht….“ Also wenn man zum Beispiel ein CEO werden möchte, ist die Frage: „Warum mache ich nicht etwas um es zu erreichen und gebe nicht auf?“

Es gibt da diese Frau (Anm. Nina Mufleh – Die ganze Story gibt es hier!), die unbedingt bei AirBnB arbeiten wollte. Kurzerhand erstellte sie eine Website und sagte sehr ausdrücklich und direkt was sie wollte: „Ich kann einen Unterschied bei AirBnB machen.“ Und der CMO (Anm. Jonathan Mildenhall) antwortete ihr: „Du hast meine Aufmerksamkeit:“ Und das finde ich ganz toll, denn es hat etwas damit zu tun, keine Angst zu haben, Dinge auszuprobieren. Und auch wenn man im ersten Moment abgelehnt wird, muss das gar nichts bedeuten. Man muss einfach weitermachen und darf sich von Hindernissen nicht abhalten lassen.

Welchen Tipp kannst du aus deinen persönlichen Erfahrungen Frauen geben, die sich für den Entrepreneurship-Weg entscheiden wollen oder bereits entschieden haben?

Erwarte nicht, dass es leicht sein wird. Erinnere dich daran, dass das Leben eine Reise ist. Unabhängig von deinen großen Zukunftszielen, ist vor allem das, was du tagtäglich tust, das was wirklich zählt. Zum Beispiel war es für mich eine Reise, das Team für Evernote für den Standort Zürich aufzubauen. Das war sehr herausfordernd, aber sehr wichtig und bedeutend als Lernerfahrung. Und es hilft auch mehr über sich selbst zu lernen.

Und lass dich nicht von all dem sozialen Druck herunterziehen. Denn egal, ob du noch jung und gerade weg von zu Hause bist oder bereits eine eigene Familie hast, es ist nie leicht. Mein Mentee Franziska Spring von Pixxadoo (Grosseltern und Enkelkinder durch Spiele verbinden und beide Generationen aktiv fordern) zum Beispiel hat erst vor kurzem ihre Crowdfunding Kampagne auf We Make It erfolgreich abgeschlossen und das Ziel mit 15.000 CHF erreicht. Aber der Weg dahin war nicht leicht. Es war ein Auf und Ab. Und in einigen Momenten war sie ziemlich verzweifelt, hatte dann aber auch wieder neue Lösungen. Aber so ist das nun einmal. Aber das wichtigste ist eben nicht aufzugeben.

Aber ich denke nicht, dass Entrepreneur sein das Leben leichter macht. Im Gegenteil. Ich denke Entrepreneur zu sein, ist eine der schwierigsten Dinge, die du tun kannst. Daher muss man sich auch mental auf Stolpersteine und Schwierigkeiten einstellen. Und man benötigt hierfür viel Unterstützung in seinem Netzwerk. Und dieses Netzwerk sollte man sich unbedingt aufbauen. Und das ist das, was dich letztlich auch erfolgreich machen wird.

Vielen Dank für das Interview, Cristina!

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