Vorteile der digitalen Barrierefreiheit für Unternehmen: Von optimierter Nutzererfahrung bis zu besserer Wettbewerbs- fähigkeit

Maxi Knust

Die digitale Barrierefreiheit entwickelt sich zunehmend zu einem wesentlichen Bestandteil für Unternehmen mit Online-Angeboten. Dabei stehen zum einen gesellschaftliche Erwartungen im Fokus, aber auch konkrete rechtliche Vorgaben und wirtschaftliche Potenziale. Dienstleister:innen, welche die digitale Zugänglichkeit konsequent umsetzen, verschaffen sich langfristige Vorteile im Wettbewerb.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz als gesetzliche Grundlage

Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wird in Deutschland die europäische Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen – der European Accessibility Act (EAA) – in nationales Recht überführt. Ziel ist es, digitale Gleichstellung zu gewährleisten und Menschen mit Einschränkungen einen gleichwertigen Zugang zu digitalen Angeboten zu ermöglichen.

Das Gesetz betrifft zahlreiche privatwirtschaftliche Unternehmen, die digitale Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher:innen bereitstellen. Es tritt am 28. Juni 2025 in Kraft und erfasst unter anderem folgende digitale Angebote:

  • Webseiten und Apps von Online-Shops
  • Telekommunikationsdienste
  • Online-Banking-Angebote
  • E-Book-Systeme und Lesegeräte
  • Buchungs- und Ticketsysteme
  • Selbstbedienungsterminals wie Bankautomaten oder Check-in-Geräte

Ausgenommen sind Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz von unter zwei Millionen Euro. Für alle anderen gelten verbindliche Anforderungen zur barrierefreien Gestaltung digitaler Zugänge. Diese orientieren sich an den international anerkannten Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1), die technische, gestalterische und inhaltliche Vorgaben definieren.

Anforderungen an die digitale Barrierefreiheit

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Webseiten, mobile Anwendungen, Online-Portale oder digitale Kommunikationssysteme so gestaltet werden, dass sie auch von Menschen mit Seh-, Hör-, Motorik- oder kognitiven Einschränkungen problemlos genutzt werden können. Dies betrifft verschiedene Ebenen der digitalen Gestaltung:

Auf struktureller Ebene müssen Inhalte übersichtlich gegliedert und semantisch korrekt ausgezeichnet sein, damit Screenreader sie verarbeiten können. Interaktive Elemente wie Buttons oder Formulareingaben müssen eindeutig beschriftet und auch per Tastatur erreichbar sein. Für visuelle Inhalte sind textliche Alternativen bereitzustellen, Videos sollten mit Untertiteln ausgestattet werden. Kontrastreiche Farbschemata und skalierbare Schriftgrößen unterstützen Menschen mit Sehbeeinträchtigungen.

Darüber hinaus müssen Buchungsprozesse, Warenkörbe oder Registrierungsformulare barrierefrei gestaltet sein. Fehlermeldungen und Eingabehilfen müssen klar verständlich und logisch nachvollziehbar sein. Eine besonders wichtige Rolle spielt die technische Kompatibilität mit assistiven Technologien wie Screenreadern, Braillezeilen oder Sprachsteuerungen.

Bei digitalen Dokumenten – etwa PDFs, Whitepapers oder Vertragsformularen – müssen Layout, Lesereihenfolge und Formatierung so umgesetzt sein, dass sie ohne visuelle Orientierung lesbar bleiben. Auch dabei gelten feste Standards für die barrierefreie Gestaltung.

Strategische und wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen

Die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit bringt zahlreiche Vorteile mit sich, die über die reine Gesetzeskonformität hinausgehen. Firmen erschließen neue Zielgruppen, steigern die Sichtbarkeit ihrer Angebote im Internet und verbessern die Nutzererfahrung auf ihren digitalen Plattformen. Barrierefreie Lösungen stärken mehrere Aspekte der digitalen Unternehmensstrategie:

  • Suchmaschinenfreundlichkeit: Barrierefreie Seiten sind technisch sauber aufgebaut, verfügen über strukturierte Inhalte und beschreibende Elemente – Eigenschaften, die auch das Ranking bei Suchmaschinen verbessern.
  • Größere Reichweite: Digitale Barrierefreiheit erschließt neue Nutzergruppen – darunter Menschen mit dauerhaften oder temporären Einschränkungen sowie ältere Personen mit altersbedingten Beeinträchtigungen. Das erhöht die potenzielle Kundenzahl erheblich.
  • Optimierte Nutzererfahrung: Eine klare Struktur, verständliche Inhalte und gute Lesbarkeit verbessern die Bedienbarkeit für alle – unabhängig von Einschränkungen. Das steigert die Verweildauer, reduziert Abbrüche und kann die Konversionsrate messbar erhöhen.
  • Reputation und Image: Betriebe, die barrierefreie digitale Angebote bereitstellen, zeigen Verantwortung und werden als fortschrittlich und gesellschaftlich engagiert wahrgenommen. Das stärkt das Vertrauen bei Kund:innen, Partner:innen und potenziellen Mitarbeiter:innen.
  • Rechtssicherheit: Die konsequente Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben minimiert das Risiko von Bußgeldern, Klagen oder Reputationsschäden und sorgt für langfristige Rechtssicherheit.

Digitale Barrierefreiheit als Teil der Unternehmensstrategie

Die Einführung barrierefreier Standards sollte nicht als punktuelle Maßnahme verstanden werden, sondern als strategischer Bestandteil digitaler Transformation. Eine nachhaltige Umsetzung erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit: Entwickler:innen, Designer:innen, Content-Teams und rechtliche Abteilungen müssen gemeinsam an Lösungen arbeiten, die Nutzerfreundlichkeit und Gesetzeskonformität vereinen.

Für neue digitale Projekte empfiehlt sich ein „Accessibility-by-Design“ bzw. Accessibility First-Ansatz, bei dem Barrierefreiheit von Beginn an mitgedacht wird. Dadurch lassen sich spätere Korrekturen und unnötige Zusatzkosten vermeiden. Bestehende Angebote sollten regelmäßig überprüft werden – beispielsweise durch Accessibility-Audits –, um Defizite zu erkennen und schrittweise zu beheben.

Ein dauerhaft barrierefreies digitales Ökosystem entsteht durch klare Richtlinien, Schulungen der Mitarbeiter:innen, die Einbindung barrierefreier Kriterien in Projektbriefings sowie durch die technische Überprüfung vor dem Livegang neuer Funktionen. Nur so lässt sich Barrierefreiheit als durchgängiger Qualitätsstandard etablieren, der langfristig wirtschaftliche Effekte erzielt und digitale Teilhabe ermöglicht.

Digitale Barrierefreiheit ist damit kein rein gesetzliches Erfordernis, sondern ein strategischer Vorteil – in rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht. Unternehmen und Gründer:innen, die sich frühzeitig mit den Anforderungen auseinandersetzen, sichern sich die Einhaltung künftiger Vorgaben und gestalten ihre digitalen Schnittstellen zukunftsfähig und inklusiv.

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