So habe ich die Angst vor der Sichtbarkeit überwunden

Gastautor*in

​Von Gastautorin Tina Steckling   

​Ich arbeite mit Menschen und ihren Ängsten. Mit der Selbstständigkeit musste ich mich nun meinen eigenen Unsicherheiten stellen.

Jetzt also selbstständig! Mit meiner Praxis Soulmates, wollte ich das, was ich gut kann mit dem verbinden, was ich wichtig finde: Menschen, die in eine innere Notlage geraten sind schnell Unterstützung bieten, damit sie wieder ins seelische Gleichgewicht kommen.

In den Kliniken und Institutionen, in denen ich zuvor als Kunsttherapeutin und Sozialpädagogin gearbeitet habe, hatte ich so oft den Eindruck, dass therapeutische Hilfe oft sehr spät bei den Menschen ankommt. Es ist viel schwieriger aus einer Krise oder Erkrankung heraus zu kommen, wenn sich die Problematik schon jahrelang verfestigt hat.

Also wollte ich ein Angebot schaffen, dass früh ansetzt und zu dem ich selbst gerne gehen würde, wenn es mir schlecht ginge. Hochmotiviert legte ich los.

Spot on – Die Angst vor der Sichtbarkeit

Ich dachte mir schon, dass das Selbständigen-Dasein ungewohnte Aufgaben und neue Herausforderungen mit sich bringen würde, wie mich mit rechtlichen Themen, Steuer- und Buchhaltungssachen auseinanderzusetzen. Aber was ich nicht bedacht hatte: Damit die Menschen von meinem Angebot erfahren, muss ich als Tina Steckling öffentlich sichtbar werden! Oh, oh… Mir wurde nach und nach klar, dass es einfach eine unternehmerische Notwendigkeit ist, die dazu gehört. Wie sollen die Menschen sonst zu meinem Angebot finden?

In den knapp 15 Jahren als Angestellte war das nie nötig und mit Präsenz in Medien hatte ich nichts zu tun. Bei meiner Arbeit richte ich meine Aufmerksamkeit voll und ganz auf meine Klienten. Ich fühle mich in seine*ihre Erlebniswelt ein und versuche zu verstehen, warum er* sie so fühlt und so mit der Situation umgeht. Von da aus führe ich durch einen Entwicklungsprozess. Darin bin ich sicher und tue dies sehr gern, auch wenn beim Klienten die emotionalen Wellen hochschlagen. 

Aber nun sollte der Spot auf einmal auf mich, auch als Privatperson gerichtet werden. Darin hatte ich keine Erfahrung, kannte die Spielregeln nicht und fühlte mich unsicher.

Mit Mut die Angst und kritische Fragen überwinden

Als ich in meinem ersten Interview sitze um von Soulmates zu berichten, stellt der Journalist unerwartet sehr persönliche Fragen und hakt immer wieder kritisch nach. Zum Beispiel, ob es mir nicht selbst auch mal schlecht geht und wenn warum? Und was ich machen werde, wenn ich mit meinem Vorhaben scheitere?

Damit hatte ich nicht gerechnet und mir wird ganz anders. Ich verkrampfe und meine Antworten werden steif und mechanisch. Das ist hier grade wahrlich kein sicherer, vertrauter Boden! So souverän ich unter Kollegen meine Meinung äußere, so gehemmt werde ich offenbar, wenn ich nun öffentlich von meinen persönlichen Herausforderungen und Zweifeln berichten soll! Vor allem mit der Ungewissheit, wie das dann von dem Journalisten dargestellt werden wird. 

Als dann einige Wochen später ein Kamera-Team vom RBB bei mir im Gesprächsraum steht, steigt das Unwohlsein in ungeahnte Höhen. Ich sollte mich doch jetzt riesig freuen, dass sie einen Beitrag über Soulmates bringen!

Aber Freude fühlt sich wirklich anders an. Ich habe selten solch eine anstrengende Anspannung empfunden. Die Kamera läuft und ich setze mich unter Druck, locker wirken zu müssen. Die Redakteurin und ich sind zudem nicht so recht auf einer Wellenlänge. Das hilft auch nicht unbedingt. Oh je, wie wird das jetzt rüberkommen?

Mein Projekt ist mein Baby. Da steckt so viel Zeit, Energie und Herzblut drin und es ist noch viel persönlicher mich damit zu zeigen, als ich mir je vorgestellt hätte. 

Mich damit nach außen zu präsentieren, fühlt sich vor allem nach Kontrollverlust an. Irgendwie bekomme ich es über die Bühne… mit Bandwurmsätzen und sehr viel weniger herzlichem Vibe, als es sonst meine Art ist. Letztlich wurde es doch ein ganz guter Beitrag und eine Seite in mir war froh, mich da hinein gewagt zu haben. Aber ich fühlte mich auch total ausgepowert danach.

Was mir geholfen hat, um meine Angst vor der Sichtbarkeit zu überwinden

Seit Beginn der Selbständigkeit hatte ich nun die Wahl: Schön in meiner Komfortzone zu bleiben und dann eben mein Vorhaben nicht bekannt zu machen… oder meinen Mut zusammen zu nehmen und raus in die Arena zu gehen.

Ich entschied mich mir meine Unsicherheit zur Aufgabe zu machen. Ich sprach mit Freunden, Kollegen und meinem Supervisor über die unangenehme Interview-Erfahrung. 

Ich reflektierte meine Gefühle, ergründete meine hinderlichen Glaubenssätze und identifizierte meinen inneren Kritiker, der sich da lautstark zu Wort gemeldet hatte.

Ist es wirklich so schlimm, wenn ich mal eine Antwort nicht weiß oder den Faden verliere? Auch wenn ich das mit meinen Klienten schon so oft erarbeitet hatte, bei mir selbst hatte ich dann doch wieder einen alten Perfektions-Maßstab angelegt, der mir massiv im Weg stand.

In der Erfahrung gab es für mich zwei besonders wichtige Erkenntnisse: Erstens, dass ich am besten den Stier bei den Hörnern nehme. Das heißt, dass ich mich selbst vorher frage, was wäre eine richtig unangenehme Frage und dazu vorher eine souveräne Antwort und eine gelassene Haltung entwickle. Damit kann ich dann aktiv das Thema lenken und gestalten, anstatt zu hoffen, dass keine Frage kommt, die mich kalt erwischt.

Und zweitens, dass meine eigene Einstellung zu vermeintlichen Unsicherheiten viel wesentlicher ist, als die des Gegenübers. Wenn ich mir selbst darin akzeptierend und wohlwollend gegenüberstehe, dann kann mich auch niemand von außen aus dem Gleichgewicht bringen. 

Der Rest ist Übung.

Ängste überwinden: Entwicklung ist immer möglich

Vor einer Interview-Situation atme ich nun in den Bauch und nehme Kontakt mit dem Teil in mir auf, der an seine Vision glaubt und in die Welt bringen möchte. Ich habe klar vor Augen, was mir wichtig ist zu erzählen. Und ich sage mir, dass ich niemand anders sein muss, als die, die ich bin.

Und siehe da, mit der Zeit verändert es sich! Ich gewinne mit jeder Erfahrung mehr Sicherheit.

Als ich zum dritten Mal zum Interview einer Journalistin gegenübersitze, sehe ich mich selbst sogar entspannt lachen. Naja, nicht die ganze Zeit, aber eben auch. Es ist für mich auch ein Gewinn für meine Arbeit, dass ich selbst nochmal ganz frisch und fühlbar emotionale Herausforderungen angehen musste, in denen ich auch meine Klienten begleite: Unsicherheit, Selbstzweifel und neues Terrain außerhalb der Komfortzone beschreiten.

Bei meiner Arbeit bin ein großer Fan innere Anteile, wie den inneren Kritiker, alte Bewältigungsmuster und das innere Kind dahinter sichtbar zu machen und dann eine hilfreiche Position zu dem kindlichen Anteil zu entwickeln. In meiner Vorstellung nehme ich nun die ‚kleine Tina‘ an die Hand und stehe hinter ihr. So kann ich mich in neue Situationen wagen und daran wachsen. Ich werde vielleicht in meinem Leben keine Rampensau mehr. Aber ich weiß Entwicklung ist immer möglich, wenn ich neue Erfahrungen zulasse.

Ich habe die Entscheidung mich von Ängsten und Unsicherheiten von meinen Zielen abhalten zu lassen oder sie zu überwinden.

​Tina Steckling, Gründerin von Soulmates – psychologischer Support, hilft Menschen in ihren Beziehungen, zu sich selbst und anderen. In seelischen Krisen leitet sie dich dahin wieder ins innere Gleichgewicht zu kommen und dich gut um dich selbst zu kümmern.

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1 comment
  1. Toller ehrlicher Beitrag, der zeigt, dass es nun einmal nicht jedem leicht fällt, sich zu zeigen. Nicht jeder muss eine „Rampensau“ sein. Vor allem sagt das nichts darüber aus, wie gut wir als Coach sind.
    Meiner Erfahrung nach sind es vor allem die wirklich guten Coaches, denen es schwer fällt, in die Sichtbarkeit zu gehen. Sie sind vielleicht auch deshalb so gut weil sie meinen, immer noch besser werden zu müssen, bevor sie raus gehen.
    Dabei lohnt es sich, über seinen Schatten zu springen!

    Lieben Gruß.

    Sebastian

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