„Wir brauchen keine Quoten mehr – wir sind divers genug.“
So oder so ähnlich klingt es, wenn Unternehmen sich öffentlich von klaren Gleichstellungszielen verabschieden. Nun auch bei SAP. Der deutsche Softwarekonzern hat seine selbst gesetzte 40%-Frauenquote in Führungspositionen gestrichen – nicht etwa, weil das Ziel erreicht wäre, sondern aus strategischer Vorsicht. Laut Medienberichten reagiert SAP damit auf den politischen Gegenwind in den USA, wo unter Ex-Präsident Trump Diversity-Initiativen zunehmend unter Beschuss geraten.
Eine Entscheidung, die nicht nur überrascht, sondern ein alarmierendes Signal sendet: Während weltweit viele Unternehmen – besonders in der Tech-Branche – mühsam versuchen, den Gender Gap zu schließen, vollzieht SAP einen sichtbaren Rückschritt. Und das ausgerechnet in einem Moment, in dem Haltung wichtiger wäre denn je.
Was ist passiert?
SAP hatte sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 40 % Frauen in Führungsrollen zu bringen. Eine klare, progressive Ansage – zumal die Tech-Branche historisch von männlich dominierten Führungsebenen geprägt ist.
Die Streichung der 40%-Frauenquote bei SAP steht offenbar in direktem Zusammenhang mit dem politischen Kurs der US-Regierung unter Präsident Donald Trump. Laut internen Mitteilungen, auf die sich mehrere Medienberichte beziehen, reagiert SAP auf veränderte Rahmenbedingungen in den USA, die durch Trumps Politik gegen Diversitätsprogramme geprägt sind.
Die Quote war nicht perfekt, aber sie war ein Symbol. Und: Sie wirkte. Zwischen 2011 und 2023 stieg der Anteil weiblicher Führungskräfte bei SAP von rund 18 % auf über 30 % (Frauenanteil im Aufsichtsrat bei 27,8 Prozent und 16,7 Prozent im Vorstand.). Diese Entwicklung wäre ohne Zielmarke kaum denkbar gewesen.
Die Quote wirkte: Zwischen 2011 und 2023 stieg der Anteil weiblicher Führungskräfte bei SAP von rund 18 % auf über 30 %.
Ein Rückzug mit politischem Kalkül?
Was wir beobachten, ist kein isoliertes Ereignis. In den USA geraten unter dem Einfluss rechter Kräfte, allen voran Donald Trump und seine Anhänger, Gleichstellungsprogramme massiv unter Druck. Diversity, Equity & Inclusion (DEI) wird von Teilen der Politik und Wirtschaft als „ideologisch“ oder „woke“ diskreditiert. Auch in Europa, etwa durch den politischen Rechtsruck in Deutschland, wächst der Widerstand gegen Genderpolitik – in Medien, Kommentarspalten, Parlamenten.
In diesem Klima ist SAPs Schritt mehr als nur ein internes HR-Manöver. Er zeigt, wie schnell Unternehmen bereit sind, sich vom klaren Kurs in Richtung Gleichstellung zu verabschieden, wenn der gesellschaftliche Gegenwind zunimmt. Statt Haltung zu zeigen, verhalten sie sich wie ein Fähnchen im Wind – vorsichtig, risikoscheu, kontrolliert.
Doch wer Gleichstellung nur dann fördert, wenn sie bequem und konfliktfrei ist, fördert sie nicht wirklich. Fortschritt braucht Rückgrat, nicht nur Zielmarken auf PowerPoint-Folien. Die Abschaffung der 40%-Quote ist damit auch ein Sinnbild für eine breitere Bewegung: den stillen, aber spürbaren Rückzug aus der Verantwortung, wenn Gleichstellung unbequem wird.
Doch wer Gleichstellung nur dann fördert, wenn sie bequem und konfliktfrei ist, fördert sie nicht wirklich. Fortschritt braucht Rückgrat, nicht nur Zielmarken auf PowerPoint-Folien.
Signalwirkung mit Beigeschmack
SAP ist kein x-beliebiges Unternehmen. Es ist eines der Aushängeschilder der deutschen Tech-Welt. Wenn hier Quoten gestrichen werden, beobachten andere Unternehmen das ganz genau. Die Botschaft: „Wir müssen das nicht mehr.“ Ein fatales Signal – nicht nur für Frauen bei SAP, sondern für alle, die auf strukturelle Veränderungen im Arbeitsmarkt hoffen.
Denn Fakt ist: Weltweit liegt der Anteil weiblicher Führungskräfte in der Tech-Branche bei rund 25 %. In Deutschland sogar noch darunter. Ohne klare Strategien – und dazu zählen auch Quoten – bleibt Diversität ein Wunschtraum.
Warum Frauenquoten (immer noch) notwendig sind
Frauenquoten sind kein Ausdruck von Bevorzugung, sondern ein Instrument zur Korrektur struktureller Ungleichheiten, die seit Jahrzehnten – oft unbewusst – in Organisationen und Entscheidungsstrukturen wirken. Das häufig geäußerte Argument „Es sollte doch die Qualifikation zählen“ verkennt, dass genau diese Qualifikation bei Frauen häufig anders wahrgenommen oder bewertet wird.
Studien zeigen, dass Frauen bei gleicher Eignung seltener für Führungspositionen vorgeschlagen oder befördert werden als Männer – oft, weil sie nicht dem klassischen Bild von Führung entsprechen (Quelle: Harvard Business Review, 2018).
Studien zeigen, dass Frauen bei gleicher Eignung seltener für Führungspositionen vorgeschlagen oder befördert werden als Männer.
Ebenso ist das Argument „Wir haben doch längst Gleichberechtigung“ statistisch nicht haltbar. In Deutschland liegt der Anteil von Frauen in Vorständen der DAX-Unternehmen 2024 bei gerade einmal rund 22 % – trotz jahrzehntelanger Gleichstellungsdebatten (Quelle: AllBright Stiftung). In der Tech-Branche sind es sogar noch weniger. Ohne verpflichtende Maßnahmen wie Quoten stagniert die Entwicklung oft über Jahre hinweg – selbst bei besten Absichten.
Eine Auswertung der AllBright Stiftung zeigt, dass Unternehmen mit verbindlichen Zielvorgaben signifikant schneller weibliche Führungskräfte entwickeln als solche ohne – und dass die Quote keineswegs zu Qualitätsverlust führt. Im Gegenteil: Mehr Diversität in Führungsteams korreliert laut McKinsey (2020) mit höherer Innovationskraft und besseren finanziellen Ergebnissen.
Ohne verpflichtende Maßnahmen wie Quoten stagniert die Entwicklung oft über Jahre hinweg – selbst bei besten Absichten.
Ein persönliches Fazit
Ohne klare Zielmarken verändert sich wenig. Die Frauenquote ist kein Allheilmittel – aber ein Katalysator für ein System, das sich sonst nur sehr langsam bewegt. Und es ist ein Werkzeug – oft das einzige, das messbare Veränderung bringt. SAPs Rückzieher ist ein Warnsignal. Wer Gleichstellung ernst meint, darf nicht auf halbem Weg umdrehen.
Vielleicht braucht es künftig nicht nur mutige Frauen, sondern mutigere Systeme und mutige Unternehmen – insbesondere, wenn sich der politische Wind dreht und Progressivität und Gleichstellung mehr in Frage gestellt als gefeiert werden. Und eine Gesellschaft, die Fortschritt nicht als PR-Kampagne missversteht, sondern als Verpflichtung.
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