Die Castingwelt spricht gern von Diversität – aber wie viel davon ist wirklich echt? Nora Rülke ist Gründerin der digitalen Castingagentur ExtraFresh und gründete mit ExtraFresh ihre eigene Plattform: technologisch smart, menschlich nah, radikal inklusiv. Mit ExtraFresh bringt sie nicht nur frische Gesichter in Werbeproduktionen und Filme, sondern auch neue Denkweisen in eine Branche, die Vielfalt oft nur behauptet. Im FEMPRENEUR Interview spricht Nora mit uns über ihren Weg in die Selbstständigkeit, über queere Sichtbarkeit im Arbeitsalltag, und warum es an der Zeit ist, nicht nur anders zu casten, sondern auch anders zu führen.
Casting neu gedacht: Wie Gründerin Nora mit ExtraFresh echte Sichtbarkeit schafft
Nora, du hast ExtraFresh aus einem sehr persönlichen Impuls heraus gegründet. Kannst du uns von dem Moment erzählen, in dem dir bewusst wurde, dass du die Branche verändern willst?
Ich bin Castingdirektorin für kleine und große Rollen. Eines Tages saß ich wieder stundenlang an einer Minirolle – absurd viel Aufwand für so wenig Output. Mir war klar: Das muss besser gehen. Gleichzeitig erlebte ich, wie viele Leute neugierig auf die Kamera sind, aber nie bei einer Model-/ Komparsen- Agentur anmelden würden.
Statt zu warten, wusste ich, ich muss mir meine eigene digitale Lösung bauen, von der am Ende alle profitieren. ExtraFresh entstand aus dem Drang nach Effizienz und Zugänglichkeit – eine App für alle, schnell, mobil und einfach.
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Was macht euer Angebot bzw eure App ExtraFresh so besonders? Und was braucht es genau, um eine eigene Agentur und/oder App zu gründen?
ExtraFresh bewegt sich zwischen zwei Welten: Kreativbranche und Tech. Gründen allein ist schon herausfordernd – aber beides gleichzeitig im Blick zu halten heißt: künstlerisches Feingefühl mit technischer Präzision zu verbinden. Es braucht Mut, Netzwerk und Ausdauer.
In der Kreativwelt: Gespür für Menschen, Prozesse, Bedürfnisse. Im Tech-Bereich: Respekt vor Komplexität, Skalierung und Kosten. Unser Ansatz: radikal effizient, aber menschlich – eine App, die Technologie und persönliche Betreuung kombiniert.
Wer Frauen oder queere Identitäten ignoriert, riskiert nicht nur gewinnbringende Zusammenarbeit, sondern outet sich selbst… als ziemlich rückständig.
Die Castingwelt spricht oft von Diversität, lebt sie aber nur selten wirklich. Was bedeutet echte Diversität für euch bei ExtraFresh – und wie setzt ihr sie in der täglichen Arbeit um?
Diversität heißt für uns nicht nur äußere Vielfalt, sondern echte Haltung. In einer oft oberflächlichen Branche wollen wir Models schützen und Kunden reflektiert beraten. Wir hinterfragen Briefings und Begriffe in der Castingbeschreibung kritisch – oft genutzt wird zum Beispiel „body positive“. Hiermit ist oft Plus Size bzw. Curvy gemeint und nicht ein Körpergefühl.
Digitalisierung erfordert besondere Sorgfalt: Wir investieren viel Energie, um sicherzustellen, dass Filter und Kategorien niemanden übersehen oder unbewusst ausschließen. Deshalb arbeiten wir eng mit Expert:innen, um Sprache, Auswahl und Darstellung inklusiv zu gestalten.

Was braucht es deiner Meinung nach, damit queere Menschen in der Arbeitswelt – sicher und selbstverständlich sie selbst sein können?
Ehrlicherweise: Für mich war es oft weniger meine Queerness als mein Frau-Sein, das Probleme brachte. Absurd ist, dass gerade im Umgang mit mittelalten (hetero cis) Männern ein Outing sogar als Schutzmaßnahme dienen kann. So wird man teils aus Selbstschutz zu Outings gedrängt.
Ich wünsche mir, dass queere Menschen nicht ständig abwägen müssen, ob und wie sie sich zeigen dürfen. Dafür braucht es zunächst Vorbilder. Und: wer Frauen oder queere Identitäten ignoriert, riskiert nicht nur gewinnbringende Zusammenarbeit, sondern outet sich selbst… als ziemlich rückständig.
Ich wünsche mir, dass queere Menschen nicht ständig abwägen müssen, ob und wie sie sich zeigen dürfen.
Die Sichtbarkeit queerer Menschen wird aktuell zunehmend hinterfragt oder sogar zurückgedrängt. Was braucht es deiner Meinung nach, damit queere Perspektiven nicht nur toleriert, sondern selbstverständlich mitgedacht und mitgestaltet werden?
Zuallererst sollten wir uns drauf einigen, dass Queer-sein ein Spektrum ist und kein Lichtschalter, der entweder an oder aus ist. Queer sein ist keine Perspektive, sondern eine Lebensweise, die weitaus mehr inkludiert, als nur das erstmal offensichtliche.
Ja, die Zeiten werden herausfordernder und das Ziel ist radikale Selbstverständlichkeit: Es sollte Normalität sein, dass ein queerer Mensch an jedem Tisch mit dabei ist und eigene Erfahrungen einbringt – ganz ohne dass dies als besondere Leistung gefeiert oder als Problem gesehen wird.
Was möchtest du anderen Gründer:innen mitgeben, die aus einem persönlichen Schmerzpunkt heraus starten möchten, sich aber noch nicht sicher fühlen oder mit Selbstzweifeln kämpfen?
Gründen aus einem persönlichen Schmerzpunkt erfordert Mut und viel Geduld. Eine gute Idee zu haben, ist leider nur der Anfang – du musst auch in schwierigen Phasen weiter an deine Vision glauben.
Mein Tipp: Hab keine Angst, dass jemand deine Idee klaut; hol dir ehrliches Feedback außerhalb deines Umfelds ein. Schreib dir außerdem Gründe auf, warum du dieses Projekt aktiv angehst und was deine Vision des Outcomes ist. – Als Reminder für dich, wenn es mal so richtig hart wird.
Und so kann aus deinem Impuls langfristig eine echte Lösung mit Wirkung werden. Vergiss nie: Du, als Mensch, bist mehr als deine Firma.
Website & App: www.extrafresh.app
Instagram: @extrafresh_agency
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