Von Gastautorin Miriam Kehl
Wir leben in einer Welt endlicher Ressourcen, aber wir wirtschaften und konsumieren als gäbe es kein Morgen. Das fängt schon bei banalen Sachen wie dem „Coffee to go“ an. Mittlerweile hat fast jeder einen Thermobecher zu Hause, doch Hand aufs Herz: Wie oft wurde dieser genutzt, vom Wanderurlaub mal abgesehen? Unnötig ist es ebenso, dass Gemüse und Obst im Supermarkt abgepackt im Regal liegen. 3 Paprika, 5 Bananen, Möhren in der Schale, Gurken in Folie. Dabei brauchen diese Produkte keine Verpackung. Doch der Aufstand gegen diesen Verpackungswahn hält sich in Grenzen. Ach, das eine Mal, denkt sich der ein oder andere. In der Masse sind die Konsequenzen für unsere Umwelt allerdings gravierend.
In Teilen findet bereits ein Umdenken statt. Zum Beispiel bemerke ich bei meinen Freundinnen einen Wandel im Einkaufsverhalten, sobald der erste Nachwuchs unterwegs bzw. da ist. Dann wird zweimal geguckt und geprüft. Aber Umwelt- und Klimaschutz gelingt nur, wenn wir alle einen Beitrag leisten und viel bewusster konsumieren. Aller Anfang ist schwer, gerade dann, wenn es sich um eingefahrene Verhaltensmuster handelt.
Circular Economy als Schlüssel zur nachhaltigen Wirtschaft
Doch nicht nur wir als Endkonsumenten und Verbraucher müssen umdenken. Auch viele Unternehmen müssen die Art und Weise ändern , wie sie ihr Produkt designen und herstellen und welche Materialien sie einsetzen. Im besten Fall sind sie umweltschonend, wiederverwendbar und langlebig, um ein „Ökodesign“ zu gewährleisten. Hierzu zählt auch, dass nur so viel Material eingesetzt werden darf wie notwendig ist. Eine energieeffiziente Herstellung lohnt sich doppelt. Zum einen können auf lange Sicht Kosten reduziert, zum anderen aber auch Ressourcen gespart werden.
Genau das ist die Idee der Kreislaufwirtschaft bzw. Circular Economy. Es geht darum, in Kreisläufen zu denken, den gesamten Prozess zu sehen. Dies als Schlüssel zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu verstehen, bringt uns dazu, dass wir am Ende den Begriff „Abfall“ gar nicht mehr kennen. Alles wird als Ressource verstanden, die wertvoll ist und wieder eingesetzt werden kann.
“Ich bin der festen Überzeugung, dass die Branche mehr Diversität verdient, was Alter und Geschlecht betrifft.”
Das Thema Kreislaufwirtschaft fasziniert mich bereits seit vielen Jahren. Ich habe von Beginn an einen Zukunftsmarkt mit enorm viel Potential gesehen und der Möglichkeit, etwas bewegen zu können. Als ich in die Branche einstieg, erwartete ich ein junges, dynamisches Umfeld, viele Gleichgesinnte in meinem Alter – und Diversität. Doch ich fand das Gegenteil vor. Auch heute noch gehöre ich auf Konferenzen zu den jüngeren und insbesondere zu den wenigen weiblichen Teilnehmern. Ich arbeite gerne in dieser Branche. Man kann viel verändern und bewegen – und insbesondere im politischen Umfeld erlangt sie immer mehr Bedeutung. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass die Branche mehr Diversität verdient, was Alter und Geschlecht betrifft.
Förderung von Eco-Entrepreneuren mit “Green Alley”
Wie lassen sich also junge Menschen für die Kreislaufwirtschaft begeistern? Um die vielfältigen Möglichkeiten der Branche aufzuzeigen und ihnen Sichtbarkeit zu verleihen, haben wir 2013 „Green Alley“ ins Leben gerufen. Wir wollen zeigen, dass Kreislaufwirtschaft viel mehr ist als nur Recycling. Das Potential und der Markt sind da, Ideen und neue Ansätze sind gefragter denn je. Mit „Green Alley“ fördern wir junge Unternehmer und Eco-Entrepreneure, die mit ihren Ideen zu einer Verbesserung der Kreislaufwirtschaft beitragen.
Einmal im Jahr vergeben wir zudem den „Green Alley Award“. Der Gewinner erhält ein Preisgeld, wird Teil unseres großen Netzwerks und bekommt die Chance auf Investment. Im letzten Jahr erhielten wir knapp 200 Bewerbungen aus mehr als 50 Ländern. Für mich war daran besonders erfreulich, dass knapp 30 Prozent davon Gründerinnen waren. 2015 waren es noch 11 Prozent. Eine tolle Entwicklung!
“Der Gewinner erhält ein Preisgeld, wird Teil unseres großen Netzwerks und bekommt die Chance auf Investment.”
Ein Blick auf unsere Finalisten der vergangenen Jahre verdeutlicht, dass die Gründer aus allen Bereichen kommen. Sie revolutionieren unser Wirtschaftssystem mit Ideen für eine nachhaltigere Baubranche, gegen Lebensmittelverschwendung und sogar gegen Luftverschmutzung. So hat Green City Solutions, Gewinner des Green Alley Awards 2016, eine freistehende Wand entwickelt, die an beiden Seiten mit Moosen bewachsen ist. Diese schlucken den Feinstaub und wandeln ihn in Biomasse um. Der sogenannte „City Tree“ absorbiert 240 Tonnen CO2 Äquivalente – so viel wie knapp 300 Bäume.
Adaptavate, Gewinner des Green Alley Awards 2015, hat das „Breathaboard“ entwickelt, eine 100 Prozent recycelbare Wandverkleidung, die zu größten Teilen aus Abfällen der Landwirtschaft hergestellt ist. Damit stellt das „Breathaboard“ eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Wandverkleidungen dar, die aus Gips hergestellt und damit schwer recycelbar sind. Das finnische Start-up RePack, Gewinner des Green Alley Awards 2014, hat eine Versandtasche entwickelt, die bis zu 20 Mal wiederverwendet werden kann. Der Käufer zahlt beim Online-Shopping eine Art Pfand für die wiederverwendbare Versandtasche RePack. Sobald er seine Ware erhalten hat, wirft er die RePack-Tasche in den Briefkasten ein und erhält einen Gutschein für den nächsten Einkauf.
“Für mich stehen die Ideen im Vordergrund. Sollten sie von weiblichen Gründern kommen, freue ich mich umso mehr. Denn auch hier braucht es mehr von ihnen.”
Es braucht viel mehr junge Unternehmen wie Green City Solutions, Adaptavate und RePack. Nicht nur, weil sie der etablierten Industrie zeigen, dass eine andere Art des Wirtschaftens möglich ist. Auch machen die jungen Gründer es uns mit ihren Ideen leichter, ein Stück umweltfreundlicher zu konsumieren und zu leben. Ich freue mich schon auf den Green Alley Award 2017 und die vielen neuen jungen Gründer, die wir kennenlernen werden. Für mich stehen die Ideen im Vordergrund. Sollten sie von weiblichen Gründern kommen, freue ich mich umso mehr. Denn auch hier braucht es mehr von ihnen.
Green Alley sucht ab dem 25. April 2017 wieder europaweit nach neuen Geschäftsmodellen, die zur Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft beitragen.
Mehr Informationen unter www.green-alley-award.com
Miriam Kehl ist Associate Director von Green Alley, einem Gründerförderer für Start-ups aus der Kreislaufwirtschaft. Mehr Infos auf: www.green-alley.de