Mimi Sewalski | Geschäftsführerin von Avocadostore: „Es wäre schön, wenn Nachhaltigkeit das neue Normal in der Mode wird.“

Maxi Knust

​Mimi Sewalski studierte Soziologie und Kriminologie und setzte sich schon seit ihrer Kindheit für den Umweltschutz ein. Dass sie daraus auch einen Beruf machen kann, wurde ihr erst später bewusst. Als Mimi dann auf einem Nachhaltigkeitsevent den Gründer ​von Avocadostore kennenlernte, stieg sie direkt mit ein und ist seit 2013 Geschäftsführerin des nachhaltigen Online-Shops Avocadostore. ​In dieser Zeit hat sie es geschafft über 4.000 Top-Marken aus ganz Europa – fein kuratierte Eco Brands und Startups – zum Avocadostore zu bringen. Dieses Jahr ​feiert der nachhaltige Online-Shop sein 10-jähriges Bestehen. Auch privat setzt die Wahl-Hamburgerin auf Nachhaltigkeit, fährt einen Elektro-Roller, baut ihr Gemüse auf dem eigenen Acker an und schreibt derzeit ein Buch, um mehr Menschen zu inspirieren, nachhaltiges Handeln und Einkaufen ohne viel Aufwand in den Alltag zu integrieren. Ihre Tipps für mehr Nachhaltigkeit, wie sie zur Expertin in ihrer Branche wurde und wie man erfolgreiche Geschäftsführerin wird, teilt Mimi Sewalski im FEMPRENEUR Interview.

Mimi, du hast Soziologie und Kriminologie studiert. Auf den ersten Blick nicht das typische Studienfach, das einen zur Geschäftsführung des erfolgreichsten Nachhaltigkeits-Online-Store in Deutschland führt. Woher kam dein Interesse für Nachhaltigkeit und wie kam es, dass du die Geschäftsführung übernommen hast?

Ich habe mich schon immer für Umweltschutz interessiert, was vielleicht daran liegt, dass ich lange Zeit bei meinen Großeltern auf dem Land gelebt habe und viel in der Natur unterwegs war.

In der dritten Klasse habe ich mit einer Freundin den „Club der Mülleimer“ gegründet, irgendwann waren wir über 100 Kinder, die in unserem Ort und in der Umgebung Müll gesammelt haben. Es war die Zeit als FCKW, das Ozonloch, Waldsterben und saurer Regen in Deutschland als Probleme erkannt wurden. 

Umweltschutz war immer ein Thema für mich.

Ich finde es interessant, dass wir vor 30 Jahren eigentlich schon alle Infos hatten und nicht aktiver etwas gegen den Klimawandel getan haben. Kurzum, Umweltschutz war immer ein Thema für mich, es hat aber lange gedauert, bis ich auf die Idee gekommen bin, daraus einen Beruf zu machen. 

Ich habe den Gründer von Avocadostore auf einem nachhaltigen Event kennengelernt und bin dann in der Gründungsphase eingestiegen. Kurz danach ist er ausgestiegen und ich bin geblieben.

Du hast dich mittlerweile in der Nachhaltigkeits-Branche etabliert und dir einen Namen machen können. Wie bist du dabei vorgegangen? Gab es eine konkrete Strategie? Kannst du hier Tipps geben, wie man sich einen Expertenstatus in seinem Feld aufbauen kann?

Erst einmal gab es keine ausgetüftelte Strategie, weil es viel darum ging, ein Gefühl für den Markt zu bekommen. Das ist vielleicht auch eine Strategie, die sich dann weiterentwickelt hat. Ich habe einfach gemacht, was ich für richtig und wichtig hielt.

​In den ersten Jahren hieß das beispielsweise, dass ich die meisten Wochenenden auf Messen unterwegs war, Vorträge gegeben und sehr viel unbezahlte Zeit investiert habe.

Mein Tipp ist, das zu machen, wo man eine Leidenschaft spürt – und in den Austausch mit Leuten zu gehen, die in diesem Feld Experten sind. Ich habe total viel von anderen Gründern und Pionieren der Ökobranche gelernt.

Mein Tipp ist, das zu machen, wo man eine Leidenschaft spürt – und in den Austausch mit Leuten zu gehen, die in diesem Feld Experten sind.

Welche Fähigkeiten und Skills braucht es deiner Meinung nach, um erfolgreiche Geschäftsführerin zu sein? Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben?

Die Fähigkeiten, die mir am meisten helfen, sind Ruhe bewahren zu können, Selbstkritik, gleichzeitig Selbstliebe und eine gute Portion Humor. Die Erkenntnis, das man gemeinsam mit dem eigenen Team lernen darf und nicht von null auf hundert die perfekte Geschäftsführerin sein muss (und kann), hat mir sehr geholfen.

Meinen eigenen Führungsstil würde ich als unkonventionell, familiär und werteorientiert beschreiben.

Meinen eigenen Führungsstil würde ich als unkonventionell, familiär und werteorientiert beschreiben, aber eigentlich müsste die Frage von meinen Kollegen beantwortet werden, denn von meinen bisherigen Chefs weiß ich, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung nicht immer nah beieinander liegen.

Innerhalb von 10 Jahren habt ihr es geschafft über 4.000 Marken in eurem Online-Store aufzunehmen. Was für ein Erfolg und Wachstum! Doch wie konntest du dieses Wachstum bislang managen?​

Ich habe ein paar Jahre in Israel für Hightec-Startups gearbeitet und dort zweimal miterlebt, wie Teams innerhalb eines Jahres von vier auf 25 Leute angewachsen sind. Das Schwierigste ist, den richtigen Moment zu erwischen, wann man die sich andauernd verändernden Strukturen wieder neu anpasst.

Bei Avocadostore versuchen wir Strukturen und Prozesse nie als gegeben anzunehmen, sondern wir hinterfragen sie immer wieder. Das klingt erst mal anstrengend, aber das führt dazu, dass man mal etwas Anderes – beispielsweise bei Meetingformaten – ausprobiert oder auch gemeinsam diskutiert, ob es allen noch was bringt, sich Montagmorgen im StandUp auszutauschen oder ob man was Neues braucht. 

Bei Avocadostore versuchen wir Strukturen und Prozesse nie als gegeben anzunehmen, sondern wir hinterfragen sie immer wieder.

Das Schöne daran ist, dass jeder im Team mitgestalten kann, dass man während des Wachstums nie fertig ist und dass man seinen eigenen Arbeitsbereich auch nach eigenen Wünschen formen kann.

Du schreibst gerade ein Buch über das Thema Nachhaltigkeit. Wie beurteilst du Nachhaltigkeit? Wie können wir nachhaltiger in einer digitalen Welt sein? Welche 3 ganz praktischen Tipps hast du?

Nachhaltigkeit hat ganz viel mit „sich bewusst werden“ zu tun. Was erst einmal leicht esoterisch klingt, soll nur heißen beim eigenen Handeln und Konsum mehr zu hinterfragen. Warum tue ich das? Was bewirkt das? Was unterstütze ich damit? Was sind die Konsequenzen meines Tuns?

Nachhaltigkeit hat ganz viel mit „sich bewusst werden“ zu tun.

Deine Frage, wie wir in einer digitalen Welt nachhaltiger sein können, passt sehr gut dazu. Wir informieren uns sehr viel online über Nachhaltigkeit, wir lesen Blogs, lassen uns über Instagram zu einem nachhaltigen Lebensstil inspirieren. Was wir aber in dem Moment nicht auf dem Schirm haben, ist die Tatsache, dass jeder Klick, jede Email, jede Suchanfrage jede Doku auf Netflix Daten verbraucht, die in riesigen Datenzentren verarbeitet werden, die sehr viel Strom fressen. Das ist natürlich ein Dilemma, was leicht zur Resignation führen kann.

Ein Ausweg ist, dass man sich überlegt, was kann ich tun. Meine drei Tipps wären:

1. Zu Ökostrom wechseln, denn das hat einen sehr großen Impact und ist leicht erledigt. 

2. Geräte ausstellen, wenn sie nicht genutzt werden. Standby-Modus verbraucht unnötig Strom – und was viele nicht wissen: eingesteckte Ladekabel verbrauchen auch Strom, wenn das Gerät nicht eingesteckt ist. 

3. Da anfangen, wo es einem leichter fällt und nicht alles auf einmal umstellen wollen. Jeder Schritt zählt und ein Schritt führt zum nächsten. Wer also nicht zu Ökostrom wechseln möchte, kann sich einen anderen Bereich aussuchen, wo er vielleicht was verändern möchte.

Nachhaltiger Lebensstil ist ein Prozess, und ich glaube nicht an den erhobenen Zeigefinger.

Das ist auch der Grund, warum ich das Buch schreibe: Ich möchte Fakten aufzeigen, die zu einem Aha-Effekt führen und gleichzeitig mit konkreten Tipps inspirieren, wie man ins Handeln kommt, ohne dass es gleich wehtun muss.

Nachhaltiger Lebensstil ist ein Prozess, und ich glaube nicht an den erhobenen Zeigefinger. Da folgt schnell der Mittelfinger. Ich möchte lieber coole Ideen und Menschen zeigen, die Teil der Lösung sind.

Es ist sehr aufregend gerade! Es passiert ganz viel! Neue Label bringen Innovationen auf den Markt, das Level der Nachhaltigkeit bzw. die Ansprüche an die Brands steigen und auch die Großen nehmen das Thema ernster und versuchen etwas mehr in diese Richtung zu gehen. Bisher überzeugt mich da zwar noch keiner, aber es wäre schön, wenn Nachhaltigkeit das n​eue Normal in der Mode wird. Das ist das Ziel! 

Zu den Trends: Recycelte Materialien und Kreislaufsysteme für Mode sind zwei große Themen in der Modebranche, aber auch das Material Lyocell ist sehr präsent. Im Herbst/Winter kommen viele tolle Farben und auch sehr moderne und coole Muster.

Wenn du eine Sache auf der Welt von heute auf morgen ändern könntest, was wäre das?

Vielleicht nicht realistisch, aber den Gedanken hatte ich schon öfters: Was wäre wenn man an jedem Produkt ein kleines Video von dem Menschen sieht, der es hergestellt hat, während er es herstellt?! 

So eine Art Live-Übertragung am Produkt, und man könnte sogar mit der Person reden. Ich bin fest davon überzeugt, dass niemand etwas „Schlechtes“ kaufen will, aber wir kaufen Dinge, ohne zu wissen, was dahintersteckt.

Ich bin fest davon überzeugt, dass niemand etwas „Schlechtes“ kaufen will, aber wir kaufen Dinge, ohne zu wissen, was dahintersteckt.

Meine Idee ist, zugegeben unrealistisch, aber ich würde die Sneaker nicht wollen, wenn ich ein müdes Kind sehen würde, wie es die Sneaker klebt. Oder ich würde die Banane nicht mehr essen wollen, wenn ich sehe, wie Bauern ohne Mundschutz Pestizide spritzen.

Eine etwas realistischere Idee ist, dass gutes, wirtschaftliches Handeln belohnt und schlechtes sanktioniert werden könnte. Wer unnütz die Umwelt verschmutzt (z.B. Kreuzfahrtschiffe), sollte dafür stärker sanktioniert werden. Innovative Unternehmen sollten belohnt werden, z.B. durch Steuererleichterungen oder Förderungen.

Dazu müsste man natürlich eine Definition für „gutes“ und „schlechtes“ wirtschaftliches Handeln finden, auf die man sich einigen kann. Fakt ist aber, dass manche Unternehmen nicht für das bezahlen, was sie anrichten, sondern wir alle – und zwar mit globalen Konsequenzen.

Innovative Unternehmen sollten belohnt werden. Wer unnütz die Umwelt verschmutzt, sollte dafür stärker sanktioniert werden.

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Foto Credits: Avocadostore

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